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Nila auf den Spuren der Drachen

Du siehst es ihr nicht an, aber Nila ist schon richtig alt. Mehrere hundert Jahre sogar. Wie alt genau weiß natürlich keiner – sowas fragt man eine Dame einfach nicht. Aber da Nila ein Drache ist, sind die vielen Jahre auch gar nicht so wichtig, und richtig nachgezählt hat sie auch noch nicht. Das Problem ist nur, dass Nila mittlerweile total vergessen hat, wie sie damals eigentlich im Felsenmeer gelandet ist. Und die vielen anderen Drachen? Wo sind die eigentlich geblieben?  Zum Glück gibt es da ja Experten, die Nila gerne weiterhelfen.

Heute ist es ziemlich kalt und regnen tut es auch. „Brrr, was für ein Schmuddelwetter!“, denkt sich Nila. Das nasse Wetter tut den zarten Drachenschuppen nämlich gar nicht gut.
Hinter ihrem großen Schirm entdeckt sie plötzlich ein Gebäude mit einem blauen Türmchen. Vor dem Haus weht eine Fahne im Wind, auf der die Inschrift „Deutsches Drachenmuseum“ zu lesen ist. Der bunt bemalte Drache vor dem Haus schnaubt ihr freundlich zu, als sie schließlich durch die alte Tür ins Innere tritt.

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Im Haus ist es schön warm und Nila kann ihren großen Schirm endlich ablegen. Drinnen glitzert und funkelt es wie in einer echten Drachenhöhle. Unzählige Schätze, kleine und große Drachenfiguren gibt es hier im Shop und Nila kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

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Hinter dem Tresen sitzt ein Mann. „Hallo Nila“, begrüßt er sie fröhlich, „herzlich willkommen in unserem Deutschen Drachenmuseum hier in Lindenfels!“

Der Mann stellt sich als Herr Woitge vor. Er ist der Erste Vorsitzende des Vereins, der das Deutsche Drachenmuseum ins Leben gerufen hat. „Also ein echter Drachenexperte“, stellt Nila fest, „dann kannst du mir ja bestimmt zeigen, wo ich herkomme“.

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„Das werde ich gerne versuchen“, sagt Herr Woitge. Bevor es los geht, bekommt Nila noch ein Blatt Papier mit einem Klemmbrett und einem Stift. „Das ist unser Suchspiel. Wenn du alle Objekte findest, die hier abgebildet sind, dann gibt es am Ende eine kleine Belohnung.“ Na, das lässt sich Nila nicht zweimal sagen!

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Die beiden gehen durch ein Treppenhaus aus schönem, dunklen Holz nach oben. An der Wand hängen zahlreiche Wappen verschiedener Städte Europas, die allesamt einen Drachen im Wappen tragen. Neben dem Wappen der Nibelungenstadt Worms entdeckt Nila ein weiteres, ihr bekanntes Wappen. Das Wappen der Stadt Neckarsteinach zeigt ebenfalls einen Drachen, der in eine Harfe eingearbeitet ist.
Im ersten Stock angekommen, zeigt Herr Woitge Nila die üblichen Darstellungen der Wappendrachen am Beispiel von drei Flaggen. „In der Flagge von Wales, ist der Drache alleine dargestellt, was Macht und Stärke symbolisiert. In anderen Darstellungen wird der Drache vom Heiligen Michael oder – wie im Wappen der Stadt Bensheim – vom Heiligen Georg bezwungen. Hier stehen der Drache für das Böse und die Bezwinger für das Gute“, erklärt Herr Woitge.
Das findet Nila traurig. Aber jetzt versteht sie wenigstens, warum ihr immer so viele Helden nach dem Leben trachteten. „Keine Sorge, Nila. Es gab bestimmt ein paar Fießlinge, doch du gehörst nicht dazu“, tröstet sie Herr Woitge.

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Beide betreten den nächsten Raum. Hier erklärt Herr Woitge, wie der Drachenmythos entstanden ist. Himmelsphänomene, dunkle Tropfsteinhöhlen oder auch Knochenfunde wurden als Beweis für die Existenz von Drachen herangezogen. „Denn du musst wissen, lange vor deiner Zeit gab es bereits die Dinosaurier – vielleicht deine Vorfahrenden…“, überlegt Herr Woitge.

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Da entdeckt Nila auch schon den riesigen Schädel, der sie mit weit geöffnetem Maul und langen, spitzen Zähnen ansieht. „Das ist der Abguss eines echten T-Rex-Schädels. Derselbe ist im Senckenberg Museum in Frankfurt ausgestellt.“ Herr Woitge ist sichtlich stolz auf dieses besondere Ausstellungsstück.

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„Es gibt aber auch noch echte, lebende Drachen bei uns“, fährt Herr Woitge fort. „Das weiß ich schon“, sagt Nila, „ich bin immerhin der beste Beweis!“ Doch was Herr Woitge meint, sind Reptilien wie Krokodile, Komodowarane oder Schlangen. Diese Raubtiere werden oft als Drachen bezeichnet.  „Auch unser Harry gehört dazu.“ „Wer ist Harry?“, fragt Nila neugierig.

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Harry ist eine Bartagame und lebt schon eine ganze Zeit im Drachenmuseum. Er hat es gerne warm und trocken, denn Bartagamen stammen eigentlich aus Australien. Wenn er wächst, muss er sich häuten, das passiert ungefähr zwei Mal im Jahr. Meistens frisst er Fliegen. „Aber seine Leibspeise sind Paprika“, verrät Herr Woitge und zaubert sogleich ein paar rote Paprikastückchen hervor.

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„In den Legenden fressen Drachen oft junge Mädchen, die geopfert werden. Die Drachen werden dann meist von wackeren Helden besiegt“, fährt Herr Woitge nach Harrys Fütterung fort. „Das ist aber eher symbolisch zu sehen. Der Drache steht für das Böse oder den Teufel. Der Held verkörpert das Gute oder den Glauben.“ „Genau wie beim Heiligen Georg!“, erinnert sich Nila.

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„Richtig“, lobt sie Herr Woitge, „doch nicht in allen Kulturen wurden Drachen mit dem Bösen gleichgestellt. Bei den Wikingern verkörperten Drachen Stärke und Mut. Sogar die Schiffe dieser kriegerischen Nordmänner waren wie Drachen geformt. Auch andere Völker verehrten die Drachen“. Herr Woitge zeigt Nila ein altes Rollsiegel aus Mesopotamien, auf das er besonders stolz ist. Schon lange vor Beginn der christlichen Zeitrechnung finden sich Darstellungen von Drachen.

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Die beiden betreten den nächsten Raum. „Das wird dir gefallen, Nila! In Asien wird der Drache nämlich schon immer verehrt“, verkündet Herr Woitge. Und tatsächlich! Überall stehen kostbare Gegenstände aus Jade, Elfenbein oder Cloisonné auf denen Drachen zu finden sind. Aber auch auf gewöhnlichen Alltagsgegenständen, wie einer Teetasse, dienen Drachenmalereien als Verzierung. „Gerade das macht es so besonders“, verrät Herr Woitge.

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„Drachen sorgen für Regen, beschützen die Familie und halten Böses fern. Ganz anders als in den Legenden, die bei uns so erzählt wurden“, fährt Herr Woitge fort und zeigt Nila einen kostbaren Drachenspiegel aus China. „Der Drachenspiegel wird an der Haustür angebracht und soll Böses fernhalten. Wenn ein böser Mensch nun versucht, das Haus zu betreten, dann spiegelt sich sein Böses in den tausend kleinen Spiegeln, die am Drachen angebracht sind. Das vertreibt dann den bösen Menschen.“ Nila gefällt der Spiegel und ist ganz beeindruckt. Außerdem mag sie funkelnde Dinge…

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Vor lauter Drachengeschichten darf Nila natürlich nicht vergessen, ihr Suchspiel weiter auszufüllen. In einer Vitrine entdeckt sie eines der gesuchten Objekte. Schnell notiert sie sich die Nummer.

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Im nächsten Raum erlaubt sich Nila einen Spaß und versucht sich selbst als Drachenreiterin. „Also Nila!“, schimpft Herr Woitge, „das geht doch nicht.“ Nila steigt schnell wieder ab und entschuldigt sich.

„Wo kommen die ganzen Sachen eigentlich her?“, startet sie ein Ablenkungsmanöver. Herr Woitge durchschaut den Trick, ist ihr aber gar nicht mehr böse. Er erzählt, wie die Idee des Drachenmuseums damals von ein paar Drachenfans in der Region ins Leben gerufen wurde. Als ehemaliger Bürgermeister von Lindenfels hat er das Vorhaben dann unterstützt. 2010 konnte das Deutsche Drachenmuseum im frisch renovierten Haus Baureneck eröffnet werden. Die Exponate stammen meist von Sammler*innen und wurden dem Drachenmuseum als Leihgabe oder Geschenk zur Verfügung gestellt. Auch Exponate von Herrn Woitge und anderen Vereinsmitglieder+innen sind im Museum ausgestellt. „Mittlerweile bin ich für das Thema Drachen selbst Feuer und Flamme“, sagt er mit einem Lächeln.

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In den folgenden Räumen gibt es Drachen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Drachen in der Kunst, Drachen in der Technik, Drachen im Handwerk und und und. „Natürlich sind Drachen auch sehr beliebt bei Kindern, wie du sicher weißt, Nila. In der Augsburger Puppenkiste gibt es ja beispielsweise Frau Mahlzahn. Eine Originalpuppe haben wir sogar hier bei uns!“ „Oh, zeig mal bitte“, das will sich Nila doch etwas genauer ansehen.

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Im obersten Stockwerk angekommen, trifft Nila auf einen großen, glänzenden Drachen aus Kupfer. „Das ist Sigi. Er ist unser hauseigener Glücksdrache!“, verrät Herr Woitge.

Nila bedankt sich für die schöne Führung. Mittlerweile hat es sogar aufgehört zu regnen. „Jetzt habe ich wirklich eine ganze Menge über Drachen gelernt“, stellt Nila fest. „Außerdem gibt es wirklich viele verschiedene Arten von Drachen. Gute, böse, Glück bringende und lustige Drachen gibt es. Und natürlich echte Drachen wie Harry und mich!“, grinst Nila.

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Zuletzt erhält Nila natürlich noch ihre Belohnung für das Suchspiel, denn am Ende hat sie tatsächlich alle Objekte gefunden… wenn auch mit etwas Hilfe von Herrn Woitge. Dieser überreicht ihr mit Freude einen grünen Glücksbringer. „Das ist ja ein kleiner Sigi!“, freut sich Nila. „Ja, und wenn du ihm den Bauchnabel reibst, dann bringt er dir Glück“, sagt Herr Woitge.

Ein wirklich schöner Tag im Drachenmuseum geht zu Ende.