Wirtschaftsregion

MIT FARBE UND PINSEL EIN ZEICHEN SETZEN

Er ist das Heinzelmännchen des Waldes – mit zwei Unterschieden: Er arbeitet tagsüber und macht daraus kein Geheimnis. Jürgen Michalczyk ist Wegewart des Odenwaldklubs.

Mit Farbe und Pinsel ein Zeichen setzen
Zeichen setzen - mit frischer Farbe zeigt das rote "N" auf weißem Spiegel Wanderern den Weg - © Wirtschaftsförderung Bergstraße GmbH

05.08.2017 / Jürgen Michalczyk ist enorm wichtig für alle Wanderer im Odenwald: Er weist ihnen direkt und indirekt den Weg und sorgt dafür, dass sich niemand verläuft. Schließlich markiert der 63-Jährige aus Mossautal unter anderem mit dem roten „N“ auf weißem Hintergrund auch den Nibelungensteig zwischen Schlierbach und Olfen. Dabei führt ihn sein Weg über die Burg in Lindenfels bis ans Gumpener Kreuz, die Walburgiskapelle und den Siegfriedbrunnen. So kommt er auf insgesamt 50 Kilometer, die er auf verschiedenen zertifizierten Wanderwegen betreut und abläuft. Hierfür hat er – so die Vorgabe des OWK – immer ein Jahr lang Zeit.

Und das ist seine Leidenschaft: „Sich um die Natur kümmern – das ist es, was ihr jeder schuldig ist. Außerdem versuche ich mit meiner Arbeit, den Wald für Besucher attraktiver zu gestalten“, erklärt Michalczyk. Apropos Arbeit. Wie geht diese von statten? „Sie nimmt sehr viel Zeit in Anspruch“, gibt er zu. Aber es lohne sich. Bepackt mit Farbe, Pinsel, Drahtbürste, Gartenschere, Klappsäge, Schablone, Wasserflasche und Lumpen aber auch mit Wanderkarte und Desinfektionsmittel begibt er sich in den Wald – immer mit dem Blick nach vorne auf die Bäume gerichtet.

„Wie Dornröschen gefühlt“

Sobald er ein Zeichen sieht, dass nicht mehr gut erkennbar, von Moos bewachsen oder von Sträuchern verdeckt ist, macht er sich ans Werk. Dann kann er schon einmal für eine 300 Meter lange Strecke rund eineinhalb Stunden benötigen. Etwa wenn ein Brombeerstrauch um einen Baum mit einer Markierung herumgewachsen ist und das rote „N“ auf weißem Hintergrund verdeckt. „Um die Brombeerranken zu entfernen, habe ich mehr als 30 Minuten gebraucht und auch einige Kratzer davongetragen. Da habe ich mich ein bisschen wie Dornröschen gefühlt“, sagt er lachend.

Da die Markierung für den Nibelungensteig nicht mehr erkennbar war, musste er sie neu anbringen. Hierfür deckte er zuerst das alte Zeichen mit brauner Farbe ab und setzte etwas weiter unten – da der Baum in dieser Zeit in die Höhe gewachsen war – die viereckige Schablone an. Zuvor glättete er aber noch die Rinde, „sonst verläuft das Zeichen und ist aufgrund der Risse schwer zu erkennen“. Deswegen eigne sich eine Buche am besten für eine Wegemarkierung. Das Problem: nicht überall im Wald wachsen sie.

Doch Michalczyk weiß sich zu helfen und bringt die „N“-Markierung auch auf etwa Kiefern, Eichen, Zitterpappeln oder Weiden an. „Das dauert dann etwas länger.“ Sobald die weiße Farbe getrocknet ist, pinselt er – wieder mit einer Schablone – das rote „N“ darauf. Insgesamt benötigt er so für ein Zeichen etwa 10 bis 15 Minuten. Diese sollten auch möglichst alle gleich aussehen, um den Wiedererkennungswert zu steigern. Das ist unter anderem eine Vorgabe des Odenwaldklubs. Der gibt auch vor, wo und in welchem Abstand sich die Markierungen befinden sollen.

„Wenn sich die Wegeführung ändert, muss auch 50 Meter hinter der Kreuzung noch einmal eine Markierung sein“, weiß Michalczyk. Dies dient der Bestätigung des Wanderers, dass er auf dem richtigen Weg ist. „Auf geraden Strecken wird alle 250 Meter eine Markierung angebracht“, erzählt er weiter. Die Zeichen sollten immer in Augenhöhe sein. Und wenn er während seines Rundgangs durch den Wald ein Wegekreuz passiert, wird dieses auch gleich abgewischt und sauber gemacht.

„Das muss ich eigentlich nicht machen. Aber wenn ich eh die Strecke ablaufe, kann ich sie auch von Moos und Dreck befreien“, sagt der Rentner, der dieser Arbeit – wie alle Wegewarte – ehrenamtlich nachgeht. Sie erhalten lediglich eine kleine Aufwandspauschale. Des Geldes wegen ist er kein Wegewart geworden. Vielmehr hat er sich schon immer für die Natur interessiert.

Der Nachwuchs fehlt

„Ich bin in einem Forsthaus aufgewachsen, war schon von Jugend an viel im Wald unterwegs.“ So bot es sich an, dass er Forstwirtschaft studierte. Danach leitete er 30 Jahre lang einen Forstbetrieb. „Als – wie ich es sage – ,Unruheständler‘ brauchte ich etwas zu tun. Da ich eh immer mit dem Hund laufen gehe, bot sich die Aufgabe eines Wegewartes an“, sagt er. „Der Odenwald ist ein schönes Land zum Wandern. Es lohnt sich“, verspricht Michalczyk und macht gleichzeitig Werbung in eigener Sache. Denn auch bei den Wegewarten fehlt es an Nachwuchs.

„Es gibt zu wenige, die das mit Passion machen. Dabei ist es eine abwechslungsreiche Arbeit. Allerdings muss man die Natur lieben“, weiß er und spricht dabei aus Erfahrung. Man müsse auch in Kauf nehmen, dass es nicht überall Handyempfang gebe. Aber genau das ist es, was ihn glücklich macht. „Man kann sich mit der Natur identifizieren, seinen Gedanken freien Lauf lassen und tolle Fernblicke bewundern.“ Ein Wegewart müsse aber auch Kondition mitbringen und mit dem Auge eines Wanderers die Wege aus beiden Richtungen ablaufen. Und manches Mal kommt dabei noch eine weitere Teilstrecke eines anderen Wegewartes hinzu, sofern dieser aufgrund von Krankheit länger ausfällt.

Er selbst war im vergangenen Jahr auf die Hilfe seiner Kollegen angewiesen: Aufgrund eines Zeckenbisses fiel er aus, war insgesamt zehn Wochen in der Klinik, da er sich mit FSME infiziert hatte. „Auf Zecken muss man aufpassen und sich unbedingt impfen lassen“, gibt der 63-Jährige einen Ratschlag an alle, die gerne wandern und im Wald unterwegs sind. „Ich konnte nicht mehr laufen und sprechen, doch zum Glück hat die Medikation gut angeschlagen.“ Dabei sei ihm oft durch den Kopf gegangen, wie es nun mit ihm weitergehe. „Man braucht Geduld“, weiß er und ist froh, dass er nach einiger Zeit wieder in den Wald gehen und seiner Arbeit nachgehen konnte.

Dort kommt er nämlich mit vielen Wanderern ins Gespräch. Es sei schön, „wenn man auch einmal ein Lob hört, und sieht, dass die Wanderer sofort den Weg gefunden und sich nicht verlaufen haben“. Dabei ereignen sich aber durchaus kuriose Begegnungen, wie etwa die Begegnung mit Nacktwanderern. „Das ist mir nun schon zwei Mal passiert“, sagt Michalczyk schmunzelnd. Einmal seien es vier junge Pärchen und einmal eine Familie mit Kindern gewesen, die – nur bedeckt durch einen Rucksack auf dem Rücken – splitterfasernackt durch den Wald schlenderten. „Das scheint modern zu werden“, sagt er und grinst.

Info: Die beste Jahreszeit, um Wanderwege zu markieren, ist laut Wegewart Jürgen Michalczyk an schönen Spätsommertagen oder im Frühjahr. Es sollte nicht regnen – sonst verläuft die Farbe. Jürgen Michalczyk rät Wanderern, immer eine Wanderkarte und Desinfektionsspray im Rucksack dabei zu haben. Auch eine Impfung gegen FSME empfiehlt er. Wie viele Wander-Kilometer ein Wegewart betreuen möchte, bleibt ihm selbst überlassen. Wegewart kann jeder werden, egal wie alt er oder sie ist. Derzeit gibt es rund 140 Wegemarkierer des OWK. Einen Einblick in den Alltag von zwei Wegemarkieren gibt es auch hier: www.nibelungenland.net/Qualitaetsweg-Nibelungensteig/Portrait/Mediathek/Reiseberichte/Wegbereiter

Wer an einer Mitarbeit als ehrenamtlicher Wegewart für den OWK interessiert ist, kann sich an die Geschäftsstelle wenden: Prinzenbau im Staatspark Fürstenlager, 64625 Bensheim Telefon 06251/855856, E-Mail info@odenwaldklub.de, Homepage www.odenwaldklub.de

© Odenwälder Zeitung, Nadine Kunzig